Bezugsquellen für „Bamberger Hörnla“:
Da es sich hierbei um ein Saisonprodukt handelt, kann die jederzeitige Verfügbarkeit nicht garantiert werden.
Bitte fragen Sie in der Gärtnerei nach.
Das Bamberger Hörnchen – „Hörnla“
Noch vor wenigen Jahren konnte es geschehen, dass ein Journalist, der in Bamberg nach dem „Bamberger Hörnla“ fragte, in die nächstgelegene Bäckerei geschickt wurde.
Es konnte eigentlich nur das Feingebäck Bamberger Butterhörnchen sein, nach dem er suchte. Niemand bezog den Namen auf die alte Kartoffelsorte „Bamberger Hörnchen“, die damals gerade zur deutschen „Kartoffel des Jahres 2008“ gekürt worden war.
Mit berufsbedingter Hartnäckigkeit erreichte der Mann schließlich die einzige Stelle, an der er die bundesweit geadelte Kartoffel in Bamberg kaufen konnte, nämlich den Marktstand des Gärtners Adalbert Eichelsdörfer aus dem zu Hallstadt gehörenden Dörfleins. Eichelsdörfer war der letzte, der diese Kartoffel im Bamberger Raum noch auf den Markt brachte. Er beherrschte aus langer Familientradition die schwierige Kultur einer Sorte, die durch ständigen Nachbau ohne züchterische Bearbeitung sehr krankheitsanfällig geworden war. Den erhöhten Arbeitsaufwand scheute er im Gegensatz zu den Bamberger Erwerbsgärtnern nicht. So kam es, dass ein Hallstadter Gärtner die Ehre der Bamberger Gärtnerstadt rettete.
Kam das Hörnla aus Frankreich?
Keines der Bamberger Gärtnerprodukte ist auch nur annähernd so bekannt und berühmt wie die alte Kartoffelsorte „Bamberger Hörnla“. Dabei ist die Herkunft dieser alten Landsorte aus der Bamberger Gärtnerstadt nicht nachweisbar. Der Name deutet aber darauf hin, und die erste bisher bekannte schriftliche Nennung im Jahre 1854 belegt den Anbau in Bamberg. Woher die Sorte wirklich stammt, lässt sich wohl nicht mehr herausfinden. Gelegentlich bekommt man zu hören, sie sei im 19. Jahrhundert aus Frankreich nach Bamberg eingeführt worden, doch findet sich bei näherem Nachforschen dafür kein Anhaltspunkt.
Die Analyse der Erbmasse ordnet sie eindeutig den Sorten zu, die den südamerikanischen Wildsorten der Kartoffel noch sehr nahe stehen. Nach ihrer länglichen, leicht gekrümmten Form gehört sie in die große Gruppe alter europäischer Sorten, die in den ersten Schriften über die Kartoffel um 1800 als Hörnchen-, Finger- oder Tannenzapfenkartoffeln bezeichnet werden. Neuere Untersuchungen legen die Vermutung nahe, dass die Bamberger Hörnla eine lokale Ausprägung der im westlichen Mitteleuropa, namentlich in Belgien und im nördlichen Frankreich weit verbreiteten alten Landsorte „Rosa Tannenzapfen“ (im französischen Sprachgebiet „Corne du Gatte“ – „Ziegenhorn“) darstellt. Die Erzählungen über eine Herkunft aus Frankreich gewinnen unter diesem Aspekt eine gewisse Wahrscheinlichkeit.
Selbst gegessen schmeckt´s am besten
Kartoffeln waren in der historischen Bamberger Gärtnerei kein sehr prominentes Produkt. In den alten Berichten erfahren wir lediglich, dass die Gärtner Futter- und Speisekartoffeln anbauten und den größten Teil im eigenen Betrieb und Haushalt verbrauchten. „Nach außen verkauft“, wie man sich früher ausdrückte, wurden anfangs vorwiegend und später ausschließlich Frühkartoffeln, weil sie bessere Preise erzielten. Nur in der kleinen Marktnische der ganz frühen Kartoffeln waren die Gärtner gegenüber den Landwirten konkurrenzfähig. Diese Marktnische wurde laufend enger und fiel schließlich ganz der Einfuhr von Frühkartoffeln aus südlichen Ländern zum Opfer. Das Bamberger Hörnla hatte als späte Sorte keine wirtschaftliche Bedeutung für die Bamberger Gärtner. Es diente fast ausschließlich dem Eigenbedarf.
Die einzige Überlebende der Bamberger Kartoffelsorten
Über die in Bamberg früher angebauten und mittlerweile verschwundenen Kartoffelsorten gibt es nur wenige Nachrichten. Mit Sicherheit umfassten sie aber eine Reihe von Lokalsorten, ohne dass man Näheres über ihre Entstehung und ihr Verschwinden weiß. Im Jahre 1854 veröffentlichte Dr. Anton Haupt im Jahrbuch der „Naturforschenden Gesellschaft von Bamberg“ eine Liste von 142 Kartoffelsorten, die nach einem Anbauversuch mit einer noch größeren Anzahl von Sorten für den Anbau in Bamberg empfohlen werden konnten. Sechs davon tragen den Namen der Stadt. Es gab damals „Bamberger Russen“, „Bamberger Weissgute“, „Bamberger Lerchen“, „Bamberger Marbacher“, „Bamberger Hörnlein“ und die „Röthliche von Bamberg“. Nur das Bamberger Hörnla hat bis heute überlebt.
Unverzichtbar für den Bamberger Kartoffelsalat
Die Kartoffel wurde offensichtlich deshalb nicht vergessen, weil sie als die ideale Sorte für den allerseits hoch geschätzten Kartoffelsalat galt. Kartoffelsalat vom Bamberger Hörnla wollte man sich und seiner Familie wenigstens einige Male im Jahr gönnen. Das hat sich bis heute nicht grundlegend geändert. Bei jüngsten Nachforschungen zum Bamberger Hörnla meinten einige Gärtner, die Kartoffel sei bis vor kurzem so gut wie unbekannt gewesen, nur wenige gaben an, die Sorte bei sich im Garten schon immer angebaut zu haben. Einig waren sich alle im herausragenden Geschmack und der bevorzugten Verwendung für den Kartoffelsalat. Stellvertretend dafür mag diese Aussage stehen: „Bei uns werden jetzt im Hausgarten auch welche angebaut; das reicht dann für ca. sechs Essen für die ganze Familie, ist ja eine ideale Salatkartoffel, da essen wir dann a Bratwurscht dazu und die Kinder Fischstäbchen.“
Zum Rezept: „Bambercher Kardoffelsalood“
Aufhalten des Niedergangs in Franken
Die Vermutung, das Bamberger Hörnla sei bis vor kurzem so gut wie unbekannt gewesen, wird nur verständlich, wenn man sie auf Bamberg und sein Umland bezieht. Denn Feinschmecker in ganz Deutschland schätzen diese Kartoffel seit langem. Schon 1904 berichtet die Broschüre „Der Bamberger Gärtnerverein auf der internationalen Gemüseausstellung zu Düsseldorf“ über die Salatkartoffel „Bamberger Hörnla: „Weit bekannt und berühmt. Leider degeneriert diese Sorte und geht im Ertrag und im Anbau in den letzten Jahren zurück.“
Der Rückgang hat sich vor allem in Bamberg beschleunigt fortgesetzt. Allein die geschmacklichen Ausnahmequalitäten dieser Kartoffel haben sie vor dem gänzlichen Verschwinden bewahrt. Die Bamberger Gärtner konnten keinen Gewinn aus ihr ziehen, weil sie den überregionalen Gourmetmarkt fremdem Anbietern überließen. Die beiden anderen traditionellen fränkischen Anbaugebiete um Schweinfurt und Kitzingen taten es ihnen gleich. Für die Spezialitätenmärkte wurden außerhalb Frankens und Deutschlands stets mehr Bamberger Hörnla produziert als im ursprünglichen fränkischen Herkunftsgebiet.
Eine Wende in dieser Entwicklung leitete erst die 2004 gestartete Aktion der Slow Food Bewegung für die Erhaltung der alten Kartoffelsorte in ihrem Ursprungsgebiet ein. Der 2008 gegründete Förderverein „Bamberger Hörnla in Franken e.V.“ konnte eine Reihe von Landwirten und Gärtnern als neue Erzeuger gewinnen. Seither bauen auch die meisten Bamberger Gärtner das Hörnla wieder an.
Sicherung der Wirtschaftlichkeit
Landwirte und Erwerbsgärtner, die dem Bamberger Hörnla die Treue halten wollten, sahen sich bisher mit einem hohen Pflegeaufwand bei geringem Ertrag konfrontiert und mussten ein hohes Ertragsrisiko bis hin zum vollständigen Ernteausfall in Kauf nehmen. Die alte Sorte hatte durch den jahrzehntelangen ständigen Nachbau stark abgebaut. An dieser Schwachstelle setzte der Förderverein an. Er begann die dringend nötige Erhaltungszüchtung gleich nach seiner Gründung und führte sie mit Hilfe der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft zum Erfolg.
Aus der Ernte 2011 konnte zum ersten Mal Pflanzgut, das von Krankheitserregern weitgehend frei ist, zum Kauf angeboten werden. Aus gesunden Pflanzkartoffeln wachsen kräftigere Pflanzen, die mehr und größere Knollen bilden. Der Pflegearbeit sinkt allerdings nicht auf das Niveau neuer Zuchtsorten, und auch die Handarbeit bei der Ernte ist nicht ganz zu vermeiden. Es bleibt also insgesamt ein höherer Aufwand, der durch den höheren Preis aber ausgeglichen wird.
Entlarven der Doppelgängerin „La Ratte“
Trotz des guten Verkaufspreises scheuten viele Erzeuger vor allem aus Bamberg den Aufwand und das Risiko für den Anbau der Edelsorte und dienten den Verbrauchern auf den heimischen Märkten andere festkochende Sorten aus der Kartoffelzüchtung an. Der heimische Markt ging dadurch weitgehend verloren, und ein Vordringen in den überregionalen Gourmetmarkt war unmöglich geworden. Im Handel schlichen sich höchst unerfreuliche Praktiken ein. Den Kunden, die sich mit Ersatzsorten nicht zufrieden geben wollten und auf dem Original bestanden, wurde immer häufiger unter dem guten Namen des Bamberger Hörnla die täuschend ähnlich aussehende alte französische Landsorte „La Ratte“ verkauft. Marktbeobachter finden darin die Erklärung für die merkwürdige Tatsache, dass seit Jahren wesentlich mehr Bamberger Hörnla verkauft als angebaut werden.
Die „La Ratte“ (mit vollem Namen „La Ratte d´Ardeche“) hat höheren Ertrag als das Bamberger Hörnla und ist risikolos anzubauen, weil bestes Pflanzgut aus der Erhaltungszüchtung in Frankreich zur Verfügung steht. Sie ist festkochend wie das Hörnchen, reicht aber in Geschmack und Konsistenz nicht an dessen Qualität heran. Das einzige äußerliche Unterscheidungsmerkmal der beiden Sorten ist die Färbung der Schale. Das Bamberger Hörnla hat einen mehr oder weniger stark ausgeprägten Rotschimmer in der braunen Haut, der am Grunde der tiefen Augen als rotes Pünktchen deutlich in Erscheinung tritt. Der La Ratte fehlt der rötliche Farbton ganz; ihr Braun ist durch und durch ockerfarben. Niemand weiß, wer die „La Ratte“ in manchen Gegenden Deutschlands „salonfähig“ gemacht hat, indem er die irrige Meinung verbreitete, es gäbe zwei Sorten Bamberger Hörnla, eine rötliche und eine gelbliche.
Marktpflege regional und überregional
Unter diesen Umständen bereitet die Marktpflege für die originale regionale Spezialität Bamberger Hörnla einige Schwierigkeiten. Auf dem überregionalen Markt ist das fränkische Original gegen Fälschungen und gegen Herkünfte aus anderen Regionen durchzusetzen. Der heimische fränkische Markt muss gegen die inzwischen gut eingeführten Ersatzsorten zurückgewonnen werden. Eine wichtige Hilfe für diese Unternehmungen verspricht sich der Förderverein von der 2008 für das fränkische Erzeugungsgebiet beantragten geschützten Herkunftsbezeichnung „geschützte geographische Angabe“ (g.g.A.), die voraussichtlich 2013 zugeteilt werden kann.
Die Franken lernen nach und nach, welchen Schatz sie an dieser Kartoffel besitzen, und sind immer mehr bereit, ihn zu hüten. Slow Food unterstützt diesen Prozess und versucht, durch regionale Aktionen die alte Kartoffelsorte in ihrer fränkischen Heimat als absolute Besonderheit im Bewusstsein zu verankern. Sehr hilfreich dafür war auch die äußerst öffentlichkeitswirksame Prämierung des Bamberger Hörnla als „Unser Original“ im 1. Spezialitätenwettbewerb der Metropolregion Nürnberg 2011.
Ein Feingemüse als Volksnahrungsmittel
Es wurde der Kartoffel nicht in die Wiege gelegt, dass sie die Welt erobern sollte. Doch zeigen schon ihre Anfänge in den Hochlagen der südamerikanischen Anden, was an mächtiger Kraft und ausdauernder Hilfe für die Menschen in diesen äußerlich sehr unscheinbaren Knollen steckt. In Regionen, in denen kaum noch eine andere Kulturpflanze wächst, wurde sie schon vor 6000 Jahren zur Nahrungsgrundlage der Indios und später des großen Inka-Reiches. Mit der Kartoffel alleine kann man einen Menschen mangelfrei ernähren. Lange lagerfähig und leicht transportierbar ist sie auch; auf eine Einheit Anbaufläche bezogen erzeugt sie bei verhältnismäßig geringem Aufwand mehr Nährwert als jede andere Nutzpflanze.
Die Einbürgerung in Franken
Nach Europa kam die Kartoffel auf spanischen und fast gleichzeitig auf englischen Schiffen. Ihr Weg nach Deutschland ist nicht genau zu verfolgen. Er könnte über Italien oder über die Niederlande und Österreich geführt haben. 1587 soll die erste Kartoffel in Deutschland in einem Apothekergarten in Breslau gepflanzt worden sein. Kurz vor 1700 wird zum ersten mal im Deutschen Reich ihr Anbau als Feldfrucht auf dem Acker aktenkundig, und zwar im nordöstlichen Oberfranken in Pilgramsreuth, das heute zur Stadt Selb gehört.
Alte Landsorten und die Sortenzüchtung
Die Kartoffel überraschte in allen Anbaugebieten mit einen unübersehbaren Sortenreichtum. Die Menschen vermehrten sie nicht nur über die Knollen, sondern bauten sie in bunter Mischung auf dem Acker und im Garten und suchten aus den Zufallskreuzungen die besten zum weiteren Anbau aus. Diese Art der Züchtung wird in der südamerikanischen Heimat der Kartoffel noch heute gepflegt. Ertragsmenge und Ertragssicherheit ließen allerdings häufig zu wünschen übrig. Nach der großen Kartoffelfäule-Epidemie in Europa 1847-49 setzte schnell die professionelle Sortenzüchtung durch gezielte Kreuzungen ein.
Man schickte in dieser Zeit auch von Frankreich aus Expeditionen in die Anden, um Wildsorten zu suchen, mit denen man die Widerstandsfähigkeit der europäischen Sorten verbessern wollte. Ab 1860 gewinnen die neuen Zuchtsorten schnell an Boden. Die überkommenen altbewährten Sorten, häufig nach ihrem Herkunftsort oder ihrer Herkunftsregion benannt, wurden nun als alte Landsorten bezeichnet und nicht mehr weiter erhaltungszüchterisch gepflegt. Sie gingen im Anbau schnell zurück und verschwanden bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts fast vollständig Mit ihnen fielen auch die meisten der finger-, hörnchen- oder zapfenförmigen und die buntfarbigen Kartoffelsorten dem Vergessen anheim. Die Kartoffeln wurden allgemein auf die runde Form hingezüchtet, und speziell in Deutschland hatte zusätzlich die Haut ockerfarben zu sein und das Fleisch gelb.
Reich an Inhaltsstoffen
Bestimmte Inhaltsstoffe anzureichern war nie ein Ziel der Kartoffelzüchtung, sieht man von den Stärkekartoffeln ab, die zur industriellen Stärkegewinnung entwickelt wurden. Die Segenswirkungen der Kartoffel für die menschliche Ernährung waren so offenkundig, dass es hier nichts zu verbessern gab. Die Knolle enthält reichlich Vitamine, darunter auch Vitamin C, und Spurenelemente, wichtige Aminosäuren, Eiweiß und Stärke in einer äußerst ausgewogenen Mischung. Sie fördert die „schlanke Linie“ und ist der Gesundheit in vielfacher Hinsicht dienlich.
Wolf-Dieter Storl schreibt den Kartoffeln in seinem 2002 veröffentlichten Buch „Bekannte und vergessene Gemüse. Heilkunde, Ethnobotanik, Rezepte (die Rezepte steuerte Paul Silas Pfyl bei) folgende wohltuenden Wirkungen zu: „Sie sind Basenbildner und verhindern Magenübersäuerung, Verstopfung und Leberstörungen. Neuere Forschungen deuten darauf hin, dass sie möglicherweise krebshemmend wirken, denn sie enthalten Proteasehemmstoffe, die Viren und Karzinogene neutralisieren, Chlorogensäure, die Zellentartungen vorbeugt, und sie haben zudem eine antioxidatorische Wirkung“.
Gerade diese segensreichen Wirkstoffe, die zu den sogenannten sekundären Pflanzenstoffen gehören, sollen in gezüchteten Sorten weit weniger vorhanden sein als in den alten, nicht gezüchteten Landsorten. Man darf vermuten, dass sie auch den Geschmack der Kartoffeln beeinflussen und kann darin eine Erklärung finden für die geschmackliche Überlegenheit der alten Sorten über die Zuchtsorten.
Weiterlesen: Das Bamberger Hörnla in der Küche
Autor: Georg Willibald Lang
Auszug aus: „Sortenbeschreibung der Gemüsesorten der Bamberger Gärtnerstadt“, ausgearbeitet im Auftrag des „Zentrums Welterbe Bamberg“ (ZWB) im Rahmen des Projekts „Urbaner Gartenbau Bamberg“, Bamberg 2013