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Da es sich hierbei um ein Saisonprodukt handelt, kann die jederzeitige Verfügbarkeit nicht garantiert werden.
Bitte fragen Sie in der Gärtnerei nach.

Die Bamberger birnenförmige Zwiebel

Die Bamberger Birnförmige ist eine kleine bis mittelgroße, feste, milde Speisezwiebel mit einer bräunlichen bis leicht rötlichen Schalenfarbe und weißlichem bis schwach grünlichem Fleisch. Ganz im Gegensatz zur groben und dicken Schale ist das Fleisch weich, hat eine feine und enge Aderung und lässt sich leicht in Ringe ziehen.

Ihre Vorzüge

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Ihre Vorzüge vor anderen Zwiebeln liegen in ihrem leicht süßlichen Geschmack, der alle Speisen, besonders aber Rohkost fein würzt, weiter in einer schönen ingbildung, die sie für die Garnierung von Speisen geeignet macht, und nicht zuletzt in ihrer langgezogenen Spindelform, mit der sie auf dem Schneidbrett gut liegen bleibt und auch für ungeübte Zwiebelschneider leicht bearbeitbar ist.

Ihr Ursprung

Die Zwiebel wurde in ihrem Bamberger Ursprungsgebiet „längliche“ oder „lange“ oder einfach „Bamberger“ Zwiebel genannt. Die Bezeichnung „Bamberger Birnförmige Zwiebel“ war zwar bekannt, hat sich aber erst im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des vom städtischen „Zentrum Welterbe Bamberg“ betreuten Projekts „Urbaner Gartenbau Bamberg“ von 2009 bis 2013 durchgesetzt. Ursprünglich formuliert wurde diese Bezeichnung in der von Euroterroir in Paris initiierten Sammlung traditioneller regionaler Lebensmittel und Agrarerzeugnisse, deren deutscher Teil unter dem Titel „Deutschlands kulinarisches Erbe“ 1998 als Buch erschien.
Darin wird die birnförmige Zwiebel als eine „uralte Sorte“ bezeichnet, die im Bamberger Gebiet Tradition hat. In Wahrheit wissen wir jedoch über die früher hier angebauten Zwiebelsorten nicht viel. Die Abbildung einer länglichen Zwiebel auf einer Zunftflasche der Gärtnerzunft aus dem Jahr 1704 lässt vermuten, das man diese Zwiebelform schon damals für das Übliche und Normale hielt. Sortenangaben aus dem 19ten und frühen 20ten Jahrhundert führen längliche Zwiebeln neben anderen an prominenter Stelle gesondert auf. Da aber sortenreiner Anbau bis in die Mitte des 20ten Jahrhunderts nicht üblich war, dürfen daraus keine Schlüsse auf eine eigene Bamberger Sorte gezogen werden.
Recherchen des „Urbanen Gartenbaus Bamberg“ ergaben, dass die Urformen dieser Zwiebel wohl in vielen, in Form, Farbe und Geschmack voneinander abweichenden Haussorten von Gärtnern und Landwirten des Bamberger Raumes (Bamberg, Hallstadt, Dörfleins) zu suchen sind.

Züchterische Bearbeitungen der Bamberger Zwiebel
Bamberger birnenförmige Zwiebel © Ilona Frey

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Eine weitgehend einheitliche Sorte entstand erst, als von 1937 an der Samenzüchter Hans Hoffmann im nahe gelegenen Forchheim mit einer Auslesezüchtung aus diesen Haussorten begann. Er konnte die besonderen Qualitäten des weichen Fleisches und des milden Geschmacks erhalten und den Nachteil der „Zweitriebigkeit“ (zwei Zwiebeln in einer Schale) stark reduzieren.
Der Nachweis einer eigenen Sorte findet sich 1955 in dem im landwirtschaftlichen Fachverlag von Paul Parey in Berlin und Hamburg erschienenen Sortenbuch „Gemüsesorten. Beschreibung und wirtschaftliche Bedeutung, I. Teil: Bohnen, Erbsen, Gurken, Tomaten, Zwiebeln, Porree“. Darin wird unter insgesamt 13 Zwiebelsorten eine „Birnförmige Zwiebel“ mit dem Anbaugebiet um Bamberg beschrieben, die mit der später so genannten „Bamberger Birnförmigen“ vollständig übereinstimmt. Mit einiger Wahrscheinlichkeit lag die von Hoffmann selektierte Zwiebel dieser Beschreibung zugrunde.
Der Saatzüchter Hoffmann gab seine Selektion an die weltweit agierende Saatzuchtfirma „Enza Zaden“ in Enkhuisen in den Niederlanden weiter. Enza ist als Erhaltungszüchter für diese Zwiebelsorte beim Bundessortenamt in Hannover eingetragen. Aus dem Saatgut von Enza stellen andere holländische Erzeuger die Steckzwiebeln her, die auch auf dem deutschen Markt vertrieben werden. Der Bamberger Erwerbsgartenbau hat jahrzehntelang damit gearbeitet, nachdem die eigene, vor allem in Hallstadt heimische kleinbetriebliche Steckzwiebelproduktion unrentabel geworden war. Inzwischen ist die Umstellung von der Steckzwiebel- auf die Saatkultur abgeschlossen.
Mit den Ergebnissen der Züchtungsarbeit von Enza war die Firma Hoffmann so unzufrieden, dass sie selbst bis heute weiter Erhaltungszüchtung in einem allerdings sehr geringen Umfang betreibt, um den originalen Typus auch im Ursprungsgebiet zu sichern. Das Projekt „Urbaner Gartenbau Bamberg“ hat bei seinen Nachforschungen nach alten Bamberger Gemüsesorten im Jahre 2012 Samen der letzten noch erhaltenen Haussorte aus dem damals bereits aufgegebenen landwirtschaftlichen Betrieb Meier in Dörfleins aufgefunden. Sie wird nun von Verein „Grünes Erbe Bamberg“ in dessen „Bamberger Sortengarten“ gepflegt.
Aus der Entwicklungsgeschichte dieser Zwiebelsorte erklärt sich die Eigentümlichkeit, dass wir heute drei leicht unterschiedliche, aber nachweislich originale Herkünfte haben. Ob noch weitere in Sammlungen einzelner Sortenerhalter und deren Vereinigungen oder in Genbanken existieren, wurde nicht überprüft.

Fast verschwunden

In den rund 80 Jahren, in denen die Birnförmige als Handelssorte exisistiert, ist ihr gewerblicher Anbau im Ursprungsgebiet stark zurückgegangen. Hauptursache ist der Niedergang der traditionsreichen „Bamberger Gärtnerey“. Von ca. 400 Betrieben Mitte des 19ten Jahrhunderts waren im Jahr 1950 noch 329 übrig, 1980 noch 120 und um 2000 ca. 15; heute sind es noch 8. Auch der seit den 70er Jahren verstärkte wirtschaftliche Zwang, ertragreichere neu Zuchtsorten anzubauen, ließ die Birnförmige ins Hintertreffen geraten. Zu ihrer Anbaufläche in Bamberg liegen ältere Zahlen nicht vor. Eigene Erhebungen zeigen für die letzten zehn Jahre einen Rückgang von 1,3 auf 0,8 Hektar. Zum Vergleich: Die Anbaufläche aller Zwiebelsorten betrug in Deutschland 2019 rund 8000 Hektar.
Der Rückzug der Birnförmigen aus den Privatgärten lässt sich indirekt an der Menge der verkauften Steckzwiebeln ablesen. Nach Schätzungen des Samenhandels wurden um 2000 ca. 15 Tonnen in das deutsche Hauptabsatzgebiet im nordbayerischen Raum geliefert; im Jahr 2019 waren es nur noch 4 Tonnen. Die Tendenz wird als weiter abnehmend eingestuft. Zum bedeutendsten Absatzgebiet haben sich seit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ die osteuropäischen Staaten entwickelt. Dort trägt die Birnförmige aber nicht ihren deutschen Sortennamen.
Auf der Seite der Erzeuger im Erwerbsgartenbau ist die Birnförmige wegen ihres vergleichsweise geringen Ertrages längst zum Nischenprodukt geworden. Der notwendig höhere Preis lässt sich nur in der Direktvermarktung erzielen, die auf einen stetig kleiner werdenden Kreis von Kennern und Liebhabern angewiesen ist.
Die Verbraucher schätzen die Vorzüge der Birnförmigen immer weniger. Ist eine Zwiebel mit geringer Schärfe gefragt, greifen auch die Bamberger inzwischen zur Schalotte.
Ein weiterer Gefährdungsgrund liegt in der Abhängigkeit der Erhaltungszüchtung von einem einzigen Großbetrieb. Solche Firmen geben eine Sorte schnell auf, wenn sie nicht mehr genügend Gewinn abwirft. Gegenwärtig verhindert das noch die Nachfrage aus Osteuropa. Die Erzeugung von Saatgut durch engagierte Sortenerhalter wird eher hobbymäßig betrieben und ist entsprechend unsicher.

Saatgutbezug

Steckzwiebeln von der Bamberger Birnförmigen sind im Samenhandel ohne Schwierigkeiten zu beziehen. Sie werden von spezialisierten holländischen Firmen aus dem Saatgut von „Enza Zaden“ hergestellt.
Saatgut ist zu beziehen von der „Samenzucht Hans Hoffmann oHG“ in Forchheim (www.samen-hoffmann.de) und vom „Bamberger Sortengarten“ des Vereins „Grünes Erbe Bamberg“ (www.bamberger-sortengarten.de) im Museumsshop des Gärtnermuseums Bamberg (www.gaertner-und-haecker-museum.byseum.de) oder auf Saatgutfestivals und Samentauschbörsen der Region, auf denen der Sortengarten vertreten ist.

Regionale Bedeutung

Der Zwiebelanbau im Bamberger Raum hat in der zweiten Hälfte des 20sten Jahrhunderts seine frühere herausragende Stellung vollständig verloren. In erster Linie der Zwiebel, in zweiter Linie auch dem Süßholz verdankte die traditionelle „Bamberger Gärtnerey“ seit ihren Anfängen im 14ten Jahrhundert ihre beachtliche wirtschaftliche Entwicklung. Im Export von Gemüsesamen weit über die Stadtgrenzen hinaus nach Sachsen und Brandenburg, nach Holland und England, nach Österreich und Ungarn waren Zwiebelsamen das Leitprodukt und stellten den Hauptanteil der Menge. Mit der Zwiebelsamenkonjunktur des 17ten Jahrhunderts hängt die Einrichtung des „Samenschauamtes“, einer städtischen Behörde zur Qualitätsprüfung im Jahr 1611 und die Gründung der Gärtnerzunft 1693 eng zusammen. Auch im Verkauf von verzehrfertigem Gemüse in der Stadt und ihrem Umland spielte die Zwiebel neben Kohl- und Wurzelgemüsen eine zentrale Rolle.
Die große Bedeutung der Zwiebel hat sich in dem bis heute gebräuchlichen spöttischen Spitznamen „Bamberger Zwiebeltreter“ für die gesamte Stadtbevölkerung niedergeschlagen. Bei der Produktion von Speisezwiebeln wurden nämlich die Zwiebelschlotten umgetreten, damit die Pflanze nicht blühte, sondern eine möglichst große Zwiebel ausbildete. Es muss ein einprägsames Bild gewesen sein, wenn Ende Juli um den Margarethentag zahlreiche Mitglieder der Gärtnerfamilien mit Brettchen unter den Schuhen gravitätisch über die Zwiebelfelder stolzierten wie der sprichwörtliche „Storch im Salat“.
Entsprechend ihrer historischen Vorrangstellung hat die Zwiebel großen Anteil an der starken identitätsstiftenden Wirkung der Bamberger Gartenbautradition. Das weitgehend erhaltene Gärtnerviertel bedeckte früher ein Drittel der Stadtfläche und bildet heute ein Drittel des „Weltkulturerbes Altstadt Bamberg“. Die einzigartige ackerbürgerliche Sonderkultur mit ihrem spezifischen Lebens-, Arbeits- und Glaubensmilieu, besonderem Dialekt und besonderem Gebäuetyp prägt die städtebauliche Struktur und das kulturelle Bewusstsein bis heute. Fragt man Bamberger, welche Aspekte sie ganz zentral mit ihrer Stadt in Zusammenhang bringen, nennen sie nach dem Dom und dem Bamberger Reiter auch gleich die hiesige Gärtnerkultur.
Die „Bamberger Zwiebel“ lieh ihren guten Namen nicht nur dem Kulturmagazin der Stadt und ihres Umlandes, das bis vor wenigen Jahren unter dem Titel „Die Zwiebel. Magazin für das lebenswerten Bamberg“ erschien. Sie musste ihn auch hergeben für ein Tellergericht aus einer mit Hackfleisch gefüllten großen runden Gemüsezwiebel in Rauchbiersauce zu Kartoffelpüree. Es ging in den 60er Jahren als Sieger aus einem Kochwettbewerb hervor, der die ortstypischen Gemüse mit der ortstypischen Spezialität Rauchbier (Arche-Passagier seit 2017) verbinden sollte.
In der traditionellen Küche des Bamberger Raumes hat die Birnförmige einen unangefochtenen Ehrenplatz. Mit rohen Zwiebelringen dieser Sorte wird das nur noch selten zubereitete „Zwiebelbrot“ belegt, eine dick mit Butter bestrichene Scheibe vom „Frankenlaib“, dem großen runden Sauerteigbrot. Die Birnförmige adelt auch den Fränkischen Zwiebelkuchen: In Schweineschmalz gedünstete Zwiebelringe werden mit etwas saurer Sahne und ganz wenig Räucherspeckwürfeln auf dünnen Sauerbrotteig gelegt und idealerweise in der Nachhitze des Holzofens, nachdem die Brotlaibe herausgenommen sind, knusprig gebacken. Schließlich entscheidet eine große Menge Zwiebelringe der Birnförmigen über die besondere Qualität des Wein- oder Essigsudes, in dem Fränkische Bratwürste gar ziehen müssen, um zusammen mit dem Sud und den Zwiebeln als „Blaue Zipfel“ serviert zu werden.

Der besondere Geschmack

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Charakteristisch für die Birnförmige ist der milde und feine Geschmack.
Über den Grad der Milde gehen die Meinungen von sehr mild, fast süßlich bis nicht übermäßig mild, aber angenehm scharf recht weit auseinander. Hier spiegeln sich die Uneinheitlichkeit der alten Sorte und die Unterschiede im Anbau. Die Schärfe ist spürbar geringer als die anderer gelber Zwiebeln, reicht aber an die Milde der Schalotte bei weitem nicht heran. Einigkeit besteht über den ungewöhnlich exquisiten Zwiebelgeschmack. Diese Besonderheit der Birnförmigen verleiht Speisen, die mit ihr gewürzt werden, eine kraftvolle Feinheit und sanft wärmende Leichtigkeit, die leichter zu schmecken als zu beschreiben ist.
Wichtige geschmacksbildende Faktoren sind das Angebot des Bodens an Mineralstoffen und die Wassergaben während der Wachstumszeit.

Das Know-How

Die Bamberger Birnförmige unterscheidet sich im Anbau prinzipiell nicht von anderen Zwiebelsorten. Soll sie jedoch ihre Vorzüge voll entfalten, sind Erfahrungswissen und Sorgfalt gefordert.
Der Gärtner muss wissen, auf welchen Teilflächen seines Gartenlandes das Mineralienangebot im Boden optimal ist – es kann sich schon auf Distanzen von wenigen Metern ändern. Er muss es dann noch fertig bringen, diese Fläche in seiner Anbauplanung für die Birnförmige frei zu halten.
Die Schärfe der Zwiebel lässt sich in einem gewissen Umfang durch die Regulierung der Wasserzufuhr steuern. Viel, aber nicht zu viel gießen bewirkt weniger, wenig, aber nicht zu wenig gießen bewirkt mehr Schärfe. Heikel ist die Sache, weil der nicht beeinflussbare Regen einkalkuliert werden muss.

Alte Gärtner erinnern sich an „ihre“ Zwiebel

Von der Bamberger Zwiebel erzählt der alte Gärtnermeister Hans Strobler, sie sei durch und durch rot gewesen, nicht nur in der Schale wie andere rote Sorten, und sehr mild im Geschmack. Man konnte sie einfach roh essen, und er hat sie gerne zum Salat roh gegessen. Bloß lange haltbar seien die Zwiebeln nicht gewesen. Andere Gärtner wissen dagegen von einer Rotfärbung und einer nennenswerten Süße nichts. Hubert Lang aus Dörfleins erinnert sich, die Zwiebel sei milder als andere gewesen, sie habe überhaupt nicht „gebissen“. Ein rötlicher oder gar roter Farbton ist ihm nicht im Gedächtnis.
Franz Stürmer hat eine Bamberger Zwiebel bis vor wenigen Jahren noch selbst angebaut und beschreibt sie so: „Sie war schärfer wie a normale und kein bisschen süß“. Im Geschmack sei sie aber schon von der Sorte her besser gewesen als andere. Stürmer weist darauf hin, dass der Geschmack sehr stark von den besonderen Gegebenheiten des Anbaus abhängt. Vor allem das Mineralienangebot des Bodens sei wichtig. Bekanntermaßen sind die Böden im Bamberger Becken selbst auf kurze Entfernungen hin sehr unterschiedlich. Allein das könne die unterschiedlichen Aussagen zum Geschmack der Zwiebel schon erklären. Auch die Schärfe variiere mit der Art des Anbaus, der Gärtner könne sie durch die Wassergabe beeinflussen: „Wenn die Zwiebel viel Wasser kriegt, wird sie nicht scharf, wenn sie wenig Wasser kriegt, wird sie schärfer“.
Heinrich Meier glaubt nicht, dass sich seine „Birnförmige“ im Geschmack und in der Schärfe von normalen Zwiebeln unterschieden hat. Sie sei vielleicht weicher gewesen, erinnert er sich. Rötlich waren seine Zwiebeln aber nie. Eine Rotfärbung der Zwiebeln bei anderen Gärtnern hält er für möglich und erklärt sie damit, dass gelegentlich die weißen länglichen Steckzwiebeln mit den roten länglichen vermischt wurden, weil die billiger waren.

Von weit her und alteingesessen

Die Zwiebel gehört zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Seit mehr als 5000 Jahren wird sie als Heil-, Gewürz- und Gemüsepflanze kultiviert. Neben ihrem Herkunftsgebiet in den Steppen West- und Mittelasiens wurde sie sehr früh schon in Indien, China und dem östlichen Mittelmeerraum angebaut. Sie dürfte von den Römern im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung über die Alpen gebracht worden sein und wird erstmals in diesem Gebiet in den „Kapitularen“ Karls des Großen um 800 schriftlich erwähnt.
Diese Anbauvorschriften für die Königsgüter des Frankenreiches führen die Küchenzwiebel und die ihr nahe verwandte, etwas mildere und feinwürzige Schalotte auf. Die Schalotte wird in Frankreich heute noch der Zwiebel vorgezogen, während sie in Deutschland fast ganz vergessen wurde. Zur Ehrenrettung der Deutschen muss man allerdings sagen, dass sie mit der „Birnförmigen“ eine Zwiebel besaßen, die der Schalotte an milder Schärfe und feiner Würze nicht viel nachstand.

Nährend und heilend

Die „Süße“ der Zwiebel kommt aus dem relativ hohen Anteil von Trauben- und Fruchtzucker. In der Trockensubstanz der Zwiebel von 11-14 g je 100 g frische Knolle überwiegen die Kohlehydrate, und 2/3 davon sind Zucker. Die „Schärfe“ der Zwiebel geht zurück auf die Schwefelverbindung Allicin, die allen Gewächsen der Lauch-Familie zu eigen ist. Die Zwiebel verfügt also über die gleichen Wirkstoffe wie zum Beispiel der Knoblauch, nur in geringerer Menge. Auch die Zwiebel wirkt deshalb antiseptisch und antibakteriell, beugt Infektionen vor, hilft bei Grippe und Husten und auch bei Durchblutungsstörungen. Weiterhin senkt sie Bluthochdruck, Blutfett- und Blutzuckerspiegel, schützt vor Ablagerungen in den Blutgefäßen, beschleunigt die Auflösung von Blutgerinnseln, wirkt vorbeugend gegen Krebs, stützt das Kreislaufsystem und stärkt die Immunkräfte des Körpers.
Nicht zum geringsten mitverantwortlich für die gesundheitsfördernden Wirkungen und wohl auch für die Feinheit des Geschmacks sind die sogenannten sekundären Pflanzenstoffe. Wenn die Vermutung zutrifft, dass die alten, nicht gezüchteten Pflanzensorten eine größere Menge dieser Stoffe enthalten als die modernen Zuchtsorten, gäbe es einen Grund mehr, sich um ihre Erhaltung ernsthaft zu kümmern.

Abwehr alles Bösen

Bei dieser großen Bandbreite gesundheitlicher Wirkungen wundert es nicht, dass die Zwiebel ein wichtiges Heilmittel in der Volksmedizin war und ist. Packungen und Wickel aus klein gehackten, gedünsteten Zwiebeln werden bei fast allen entzündlichen Krankheiten mit Erfolg verwendet. Gegen Erkältungskrankheiten nimmt man Zwiebelsirup ein, trinkt Zwiebeltee oder atmet heiße Zwiebeldämpfe. Zwiebelsaft zur Milderung der Folgen von Insektenstichen ist ein altbekanntes Hausmittel. Dass es auch gegen Gicht, Ischias und Warzen hilft, weiß nicht mehr jeder. Die Wirkungsweise der Zwiebel stellte man sich so vor, dass sie aus den betroffenen Körperteilen das Gift herauszog und förmlich aufsaugte.

Spenderin der Lebenskraft

Als stärkende, gesundheitsfördernde Nahrung der einfachen Leute stand die Zwiebel seit der Antike in einer Reihe mit dem Knoblauch und dem Rettich. Ist es ein Zufall, dass alle drei unter den wenigen erhaltenen alten Bamberger Lokalsorten zu finden sind? Zwiebel und Knoblauch galten beide auch als universelles Heilmittel des kleinen Mannes. Die vornehme Welt der europäischen Kulturen distanzierte sich seit dem Altertum von derlei Gemüse und rümpfte die Nase über das übel riechende gemeine Volk der Zwiebel- und Knoblauchesser. Manch einer, der sich in unverbesserlichem Dünkel für etwas Besonderes hält, tut dies vielleicht heute noch.
Die weitreichende Achtung der Zwiebel in alter Zeit als Spenderin der Lebenskraft wurde bis in unsere Tage auf ihre Wertschätzung als Aphrodisiakum verengt. Die Anregung des Geschlechtstriebes, ursprünglich immer an die Förderung der allgemeinen Lebenskraft gebunden, dient dabei nur noch dem Luxus einer besonderen Lustbarkeit. In der französischen Zwiebelsuppe, die als vorzügliches Liebesmittel gilt, lebt ein kaum mehr erkennbarer Rest der alten Symbolkraft der Zwiebel fort.

Weiterlesen:    „Die Bamberger Zwiebel in der Küche“        „Die Bamberger Zwiebel als Heilmittel“

Autor: Georg Willibald Lang

Auszüge aus:

„Sortenbeschreibung der Gemüsesorten der Bamberger Gärtnerstadt“, ausgearbeitet im Auftrag des „Zentrums Welterbe Bamberg“ (ZWB) im Rahmen des Projekts „Urbaner Gartenbau Bamberg“, Bamberg 2013. Und Anderen.