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Bezugsquellen für „Bamberger Süßholz“:

Da es sich hierbei um ein Saisonprodukt handelt, kann die jederzeitige Verfügbarkeit nicht garantiert werden.
Bitte fragen Sie in der Gärtnerei nach.

Das Bamberger Süßholz

Süßholz ist natürlich kein Gemüse und soll auch hier nicht zu einem solchen gemacht werden.
Aber …

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… in einer Beschreibung der Gemüsesorten der Bamberger Gärtnerstadt darf es trotzdem nicht fehlen, denn es hat den Ruf und den Ruhm der Bamberger Gärtner mehr begründet als jedes andere ihrer Erzeugnisse, mehr als selbst die Bamberger Zwiebel. Der Ruhm strahlt herüber aus den Zeiten, in denen die Bamberger Gärtnerei für ihre Gewürz- und Heilpflanzen und ihre Gemüsesamen bekannt war. Die Herstellung gebrauchsfertiger Gemüse für den Markt schob erst im 19. Jahrhundert diese älteren Produktionsbereiche in den Hintergrund. Der Süßholzanbau war schon lange nicht mehr wirtschaftlich bedeutsam, als er am Beginn des 20. Jahrhunderts ganz zum Erliegen kam.
Nur wenige Süßholzpflanzen hielten im Gärtner- und Häckermuseum die Erinnerung an die große Vergangenheit wach. Dem Museum kann man es gar nicht hoch genug anrechnen, dass es damit ein zentrales Kulturgut der Gärtnerstadt für die Zukunft erhalten hat. Im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Museums in den Jahren 2008 bis 2012 wurde der Süßholzanbau in Bamberg von Lisa Strecker M.A. und Dr. Hubertus Habel eingehend erforscht. Auf den Arbeitsergebnissen, die hoffentlich bald von den beiden Autoren veröffentlicht werden, bauen die folgenden Ausführungen auf.

Das „Markenzeichen“ der Stadt

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Welche Bedeutung der Süßholzanbau für die Bamberger Gärtner und für die Stadt insgesamt hatte, kann man an der Legende ablesen, nach der das Süßholz nur an den Orten wachse, über die Kaiserin Kunigunde, zusammen mit ihrem Gemahl Kaiser Heinrich II. Gründerin und Schutzheilige der Stadt, ihren Fuß gesetzt habe. Daraus darf natürlich nicht der Beginn des Süßholzanbaues noch zu Kunigundes Lebzeiten um das Jahr 1000 abgeleitet werden.
Er liegt wohl zwei- bis dreihundert Jahre später, denn Süßholz kam erst im 12. Jahrhundert aus dem Mittelmeerraum in unsere Breiten. Die erste schriftliche Quelle berichtet im Jahr 1563, dass Süßholz in Bamberg seit langem bekannt sei. Seitdem gibt es so gut wie keine historische Beschreibung der Stadt, die das Süßholz nicht mehr oder weniger ausführlich erwähnt. Das aufwendige Ausgraben einer Süßholzwurzel, ohne sie zu verletzen, hatte die Bamberger Gärtnerzunft zum Kernstück der Meisterprüfung gemacht.
Im Stadtplan des Petrus Zweidler von 1602 zieren drei Süßholzpflanzen und zwei aus Süßholzwurzeln geflochtene Ringe das Signum und werden damit zum Wahrzeichen der Besonderheit Bambergs erhoben. Süßholz wurde in dieser Zeit auch in anderen Städten Deutschlands angebaut, doch spielte Bamberg offensichtlich immer die bedeutendste Rolle. Häufig wird auch ausschließlich Bamberg als Anbauort nördlich der Alpen genannt. Dies dürfte auf die besonders günstigen Wachstumsbedingungen im Talgrund des Bamberger Beckens zurückzuführen sein. Die Süßholzfelder lagen alle in der Ebene, bevorzugt unmittelbar am rechten Flussarm der Regnitz.

Eine Bamberger Lokalsorte

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Vom Süßholz sind weder neue Züchtungen noch ältere züchterische Bearbeitungen bekannt. Es gibt jedoch ähnlich wie beim Knoblauch eine große Zahl von Typen, die das Gepräge ihrer regionalen oder lokalen Herkunft tragen und umgangssprachlich Sorten genannt werden. Ob das Süßholz in Bamberg eine eigene Lokalsorte ausgebildet hat, ist bisher nicht nachgewiesen. Allein die Tatsache, dass die Pflanze über Jahrhunderte am gleichen Ort mit großem Erfolg kultiviert wurde, rechtfertigt es aber, von einer alten lokalen Sorte zu sprechen.
Sie ist nicht verloren, weil sie in kleinem Umfang im Garten des Gärtner- und Häckermuseums ohne Unterbrechung bis heute weiter angebaut wurde. Innerhalb der einzelnen Typen des Süßholzes wurden und werden heute noch die Pflanzen mit besonders erwünschten Eigenschaften ausgelesen und weiter vermehrt. Das ist sicher auch in Bamberg praktiziert worden, ohne dabei aber bestimmte Inhaltsstoffe bewusst zu optimieren. Neuere vergleichende Forschung sucht dagegen gezielt nach den Sorten mit den höchsten Anteilen medizinisch wirksamer Stoffe. Wo das Bamberger Süßholz hier einzureihen ist, kann noch nicht gesagt werden.

Verwendung als Naschware, Würz- und Heilmittel

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Was das Süßholz zum Leitprodukt der historischen Bamberger Gärtnerei, zu ihrem bekanntesten Erzeugnis und zum wichtigsten Exportartikel der Gesamtstadt machte, bleibt nach wie vor etwas rätselhaft. Die in einschlägigen Schriften des 20. Jahrhunderts genannten Verwendungsformen des früher in Bamberg kultivierten Süßholzes können die bemerkenswert große Bedeutung für den Bamberger Gartenbau nicht so recht plausibel machen. Das Bamberger Süßholz soll demnach vor allem als Heilmittel zur Behandlung von Heiserkeit und Husten und zur Geschmacksverbesserung von Teemischungen eingesetzt und im übrigen zu Lakritze verarbeitet worden sein.

Der Wurzelextrakt, die „Lakritze“

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Lakritze ist ein Auszug aus der Süßholzwurzel und bildet die Grundlage für mancherlei Naschereien, die nicht ohne Einschränkungen als Süßigkeiten bezeichnet werden können. Der pure Saft der Wurzel schmeckt eher herb, ist süß und bitter zugleich und besitzt zusätzlich eine charakteristische eigene Geschmacksnote. Um den Süßholzextrakt zu gewinnen, wird die Wurzel in Wasser ausgekocht, und die Flüssigkeit dann bis auf 20 % Wassergehalt reduziert. Über die weitere Verarbeitung des Konzentrats zu den vielfältigen Formen weicher und harter, bunter und farbiger Lakritz schweigen sich die heutigen Hersteller aus.
Weiche Lakritz soll süßer schmecken als die würzigere harte. Der Liebhaber hat die Qual der Wahl zwischen einer Vielzahl von Lakritzerzeugnissen mit würzenden Beigaben, mit salziger oder pfefferiger Note oder süß abgemischt mit Schokolade oder Schaumzucker. Was immer er auch wählt, echter Süßholzextrakt wird sich nur wenig darin befinden. Meist wird er durch Anisöl ersetzt, das den für typisch angesehenen Lakritzgeschmack in ausreichender Intensität hervorruft.

Der „Bärendreck“

Die Lakritze wird im Süden Deutschlands noch häufig „Bärendreck“ genannt. Dieses Wort bezeichnete ursprünglich ein Veredelungsprodukt der Lakritz aus der Bamberger Gärtnerstadt, ein Kleingebäck, eine Art Plätzchen in der Form und Größe eines Talers, das auch als „Bamberger Hirschtaler“ bezeichnet wurde. Die Gärtnerfamilien haben es aus dem eigenen Süßholz selbst hergestellt. Das Rezept war entweder so einfach und geläufig, dass es niemand festhielt, oder so geheim, dass niemand es herausgeben durfte. Wir wissen jedenfalls nicht mehr, wie die Hirschtaler hergestellt wurden. Einen Anhaltspunkt liefert der als Bamberger Süßholzchronist bekannt gewordene Gerhard Handschuh. Ihm zufolge wurde der Süßholzsaft für die Bärendreck-Küchlein nicht ganz eingedickt und mit weiteren Zutaten, darunter Mehl, Holundersaft und Schmalz weiterverarbeitet.

Die Alternative zum Kaugummi: Süßholz kauen

Die einfachste Art, Süßholz zu genießen, ist die, auf einem dünnen Wurzelstück herumzukauen. Der zögerlich sich lösende Saft schmeckt angenehm süß-herb und würzig. Ist der erste Abschnitt ausgekaut, beißt man die holzigen Fasern ab und macht sich an den nächsten Abschnitt. Es dauert seine Zeit, bis das Stäbchen verbraucht ist und das nächste in Angriff genommen werden muss. Die Erinnerung an den Kaugummi der Kinderzeit wird wach und lebt freudig auf, setzt man sich doch nicht dem Vorwurf eines unkultiviert modischen Amerikanismus aus, sondern lutscht mit Wonne auf einem deutlich höheren alteuropäischen Kulturniveau.
Ob man sich dabei auch noch auf eine Bamberger Tradition berufen kann, bleibt freilich ungewiss. Die heute hauptsächlich aus italienischem Anbau angebotenen Bündel solcher fingerlangen Stäbchen waren in der Hochzeit des Bamberger Süßholzanbaus wohl keine Handelsware. Die Süßholzwurzeln wurden traditionell in Ringe von etwa 20 Zentimeter Durchmesser geflochten und in dieser Form verkauft. Noch 1922 schreibt H. Marzell in seinem Werk „Neues illustriertes Kräuterbuch“: „Bis in die neueste Zeit verließen die Bewohner der nächsten Dörfer niemals die Stadt Bamberg ohne einen sogenannten Süßholzring mitzunehmen.“ Der Gedanke liegt nahe, solche Ringe auch dem modernen Stadttouristen als süßestes aller Bamberg-Souvenirs anzubieten.

Vielfältiger Einsatz zur Geschmacksverbesserung

Süßholz dient nicht nur den Naschkatzen. Der Süßholzextrakt spielt eine wichtige Rolle als Beigabe zu allen Verarbeitungsformen des Tabaks, zur Geschmacksverstärkung von Kakao, Backwaren, Pudding und Creme-Eis und zur geschmacklichen Verbesserung von Soja-Saucen und Soja-Fleischersatz, von Mundwasser, Zahnpasta, Teemischungen und aller Arten „bitterer“ Medizin. Nicht zuletzt benutzt ihn auch die Getränkeindustrie als Zutat in Kräutertees, Softdrinks, Likören und Magenbittern. Selbst den englischen Bieren „Porter“ und „Ale“ gibt das Süßholz einen Teil ihres spezifischen Geschmacks.
Den verwegenen Gedanken, historisches Bamberger Süßholz könnte ähnliches für das historische Bamberger Bier geleistet haben, lohnt es sicher nicht weiter zu verfolgen. Anderes ergibt sich möglicherweise für den historischen Bamberger Wein, wenn man den spärlichen Hinweisen nachgehen wollte, die auf den Einsatz des Süßholzes zum Schönen von Wein hindeuten. Diese Verwendungsform erwähnt Tilman Breuer in seinem Aufsatz: “Die Gärtnerei und Bambergs Eigenart als Stadtdenkmal“, der im 1984 erschienenen Band 38 des Jahrbuchs der Bayerischen Denkmalpflege abgedruckt ist.
Bamberg war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein bedeutendes Zentrum des Weinbaus und brachte klimabedingt nicht die süßesten Trauben hervor. Was lag näher als den sprichwörtlichen „Sauerampfer“ mit Süßholz trinkbar zu machen, zumal sich Lakritze in Wein gut löst. Der heute in Bamberg angebaute Wein braucht eine solche Behandlung natürlich nicht mehr, aber vielleicht lässt sich ein Bamberger Süßholzwein entwickeln, der im touristischen Souvenir-Markt seinen Platz behaupten könnte und vielleicht sogar gut schmeckt.

Weiterlesen: „Das Bamberger Süßholz in der Küche“     „Das Bamberger Süßholz als Heilmittel“

Link zur:         „Bamberger Süßholzgesellschaft“

Author: Georg Willibald Lang
Auszug aus: „Sortenbeschreibung der Gemüsesorten der Bamberger Gärtnerstadt“, ausgearbeitet im Auftrag des „Zentrums Welterbe Bamberg“ (ZWB) im Rahmen des Projekts „Urbaner Gartenbau Bamberg“, Bamberg 2013