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Bezugsquellen für „Bamberger Rettich“:

Da es sich hierbei um ein Saisonprodukt handelt, kann die jederzeitige Verfügbarkeit nicht garantiert werden.
Bitte fragen Sie in der Gärtnerei nach.

Der Bamberger Rettich in der Küche

Die Europäer räumen dem Rettich heute nur einen schmalen Platz am Rande der Tafel ein.
Die Bamberger schätzen ihn – vor allem auf den Kellern zum Bier.
Aber er kann noch so viel mehr…

Unsere Rezeptempfehlungen:

„Bambercher Reddich-Sallod““        „Bambercher Reddichsuppn“

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Er steht in der Salat- und Rohkostecke, während man ihn im fernen Osten, in Japan und China, weit vielfältiger in der Küche einsetzt und ihn auch dünstet oder kocht. In Europa ist der Rettich weit entfernt von der Bedeutung, die er in den asiatischen Ländern als Lebensmittel hat. Bei uns wäre er eher als Spezialitätengemüse einzustufen. Bamberg macht da keine Ausnahme, nimmt aber doch im bundesweiten Vergleich eine Sonderstellung ein.
Die beachtliche Anbaufläche, die wirtschaftliche Bedeutung und die ehemals große Sortenvielfalt in der Stadt sind auf die äußerst günstigen Anbaubedingungen und die besonders liebevolle Pflege, die der Rettich bei den Bamberger Gärtnern genoss, zurückzuführen.

Rettich roh genießen

In Bamberg und in Franken und weit darüber hinaus gilt seit je der Grundsatz: Der Rettich wird roh gegessen. Das heißt nicht, dass man hinein beißt wie in einen Apfel. Der Rettich fordert Geduld beim Genuss. Er will in dünne Scheiben geschnitten, leicht gesalzen und dann ein paar Minuten liegen gelassen sein, damit er Wasser ziehen kann. „Der Rettich muss weinen“, sagt man in Bamberg. Dabei verliert er von seiner Schärfe gerade so viel, dass er nicht mehr erbarmungslos „beißt“, sondern ein ermunternd zupackendes Aroma entfaltet. „Butterweich“ zergeht er dann auf der Zunge und ist eine erstklassige Gemüsebeilage zum Wurst- oder Käsebrot. Wer den Rettich einfach anstelle von Wurst oder Käse aufs Butterbrot legt, genießt ein sogenanntes „Rettichbrot“. Wahrscheinlich ist er sich nicht bewusst, dass er einem uralten Hochgenuss frönt aus Zeiten, in denen nicht jeder sich teure Brotbeläge leisten konnte, und aus Gegenden, in denen am Freitag zumindest Fleisch und Wurst auch auf dem Butterbrot aus religiösen Gründen unstatthaft waren.

Nur ganz frisch wirklich gut

Will man die Schärfe der alten Bamberger Haussorten mildern, sollte man die Rettiche sehr dünn aufschneiden und ihnen gegebenenfalls erlauben, sich etwas länger auszuweinen. Eine Lagerung im Kühlschrank ist nicht zu empfehlen, weil sie mit der Schärfe auch das feine Aroma beseitigt. Der Bamberger Rettich schmeckt nur wirklich gut, wenn er ganz frisch ist. Nicht umsonst verschenkte kein Bamberger Gärtner einen frisch aus dem Boden gezogenen Rettich ohne die eindringliche Ermahnung, ihn sofort zu essen. Schon nach wenigen Stunden Lagerdauer nimmt der Genuss merklich ab. Kein anderes Gemüse verliert so schnell seinen Wohlgeschmack, für kein anderes gilt das Gebot der Frische so absolut.

Klassisch: Rettich zu Bier

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Ohne Frage finden sich die beiden Geschmäcker von Rettich und Bier in seltener Harmonie zusammen. Das alte Herkommen, nach dem der Rettich auf den Bierkellern seine wahre Heimat hat, festigt diese glückliche Verbindung. Es beruht aber im wesentlichen darauf, dass Rettich wie Bier traditionell beim sommerlichen Abendessen nicht fehlen durften, und ursprünglich die Familien ihr Essen auf den Bierkeller selbst mitbrachten, weil der Kellerwirt nur ausschenken, nicht aber Speisen ausgeben durfte. Seit die Keller wie normale Gaststätten betrieben werden, findet man den Rettich dort nur noch selten.

Noch seltener bieten ihn die Bierwirtschaften an, obwohl er als fränkische Spezialität sogar neben den Bratwürsten bestens bestehen kann. Das beweist er auf dem Gärtnerfest am Gärtner- und Häckermuseum in der Mittelstraße alljährlich neu, wo das Rettichbrot der Bratwurst den ersten Rang streitig macht. Den Wirten und den Kellerwirten in und um Bamberg sei dringend ans Herz gelegt, ihre Speisekarten um diese einfache Köstlichkeit zu bereichern. Sie würden damit eine lange zurück reichende Tradition aufgreifen, in der Rettiche im Sommer wie im Winter die Vitamine zum täglichen Brot und Bier beisteuerten.

Fein: Rettich zu Wein

Kaum jemand in Bamberg denkt daran, dass der Rettich auch gut zum Wein passt, vorausgesetzt man nimmt keine verzärtelte Kreszenz, sondern einen vollständig durchgegorenen, also richtig trockenen Franken. Es ist halt schon über 160 Jahre her, dass die heutige Bierstadt eines der Zentren des fränkischen Weinbaus war. Überdies gibt es am Ort keine kulinarische Tradition, die Rettich und Wein zusammenbringt. Der Siegeszug des Rettichs begann in Bamberg mit dem Ende des Weinbaus und wurde bisher ausschließlich vom Bier begleitet. Das muss in Zukunft nicht so bleiben. Auf die Verbindung zum Wein wird der Bamberger Rettich bauen können, wenn er nicht nur gesalzen und ausgeweint genossen, sondern mit feinen Zutaten in verfeinerten Zubereitungsformen veredelt als regionale Spezialität zu neuen Ehren kommen will.

Das Rettichbrot der Zukunft

Das Potenzial des Rettichs hat die Regionalküche bei weitem nicht ausgeschöpft. Sie könnte in einem ersten Schritt das Traditionsrezept des Rettichbrotes in klassischer Schlichtheit einfach dadurch verfeinern, dass sie nur allerbeste Zutaten verwendet. Ein fränkisches Sauerteigbrot aus dem Holzofen wird nicht zu dünn mit echter Sauerrahmbutter (die handelsübliche Butter ist eine nachträglich mild gesäuerte Süßrahmbutter) bestrichen und mit gut „ausgeweintem“ Bamberger Rettich belegt. Eine selbst gemachte Kräuterbutter unterstreicht das Retticharoma angenehm, und wer das Besondere liebt, bereitet sie sortenrein aus Liebstöckel zu und legt noch ein Liebstöckelblatt auf die Rettichscheiben oben drauf.
Den feinen Zusammenklang der Aromen von Rettich und Liebstöckel hat Carmen Dechant von der Hofstadt-Gärtnerei entdeckt. Borretsch und Rukola passen ähnlich gut, und manch anderes Kraut oder spezielle Kräutermischungen wären noch zu erproben. Eine schöne Variante des Rettichbrotes, die sich auch als Party-Snack bestens eignet, empfiehlt die Kochwerkstatt des Bamberger Sortengartens für die neue Bamberger Gemüseküche. Sie legt auf ein Stückchen Butterbrot eine Scheibe gekochte Kartoffel, am besten natürlich vom Bamberger Hörnla, und setzt darauf ein Türmchen aus drei Rettichscheiben, zwischen die ein Rukola-Pesto aus jungen Rukola-Blättern, Rapsöl, Walnuss und geriebenem Hartkäse gestrichen wird.

Neue Variationen des Rettichsalats

Die Verwendung seines geliebten Rettichs zu Salaten betrachtet der Bamberger mit Argwohn, der Würzung mit Salatmarinaden aus Essig oder Zitrone und Öl nähert

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er sich nur zögerlich, die Kombination mit Küchenkräutern und Senf beurteilt er skeptisch. Es mag schon stimmen, dass ein wirklich guter Rettich das alles nicht braucht. Verwehrt man ihm aber die Verbindung mit diesen schönen Würzzutaten nicht, lohnt er es mit einer reichen Vielfalt an Geschmacksnuancen. In angemessen kleinen Mengen bringt er in Mischsalaten seine besondere Note vorteilhaft zur Geltung. In größeren Mengenanteilen mit Blattsalaten gemischt und mit einer feinen Essigmarinade, wenig Zwiebel und frischen Kräutern angemacht tritt er so imposant in Erscheinung, dass man dieses kulinarische Erlebnis mit berechtigtem Stolz „Bamberger Rettichsalat“ taufen könnte.
Salat aus Bamberger Rettich pur wird zur echten Köstlichkeit mit einem milden Essig, der die Retticharomen nicht unterdrückt, zum Beispiel Sherry-Essig, und mit kalt gepresstem Rapsöl, dessen Eigengeschmack die Retticharomen mühelos hebt. Das satte Gelb des Rapsöls auf dem Weiß der Rettichscheiben bringt den harmonischen Zusammenklang auch farblich zum Ausdruck. Die Vorzüge dieser Kombination hat die Kochwerkstatt des Bamberger Sortengartens in einer längeren Versuchsreihe mit verschiedenen Essigen und Ölen herausgefunden.

Neuerungen der gehobenen Regionalküche

Der charaktervolle Bamberger Rettich empfiehlt sich auch für Zubereitungen der gehobenen Regionalküche wie zum Beispiel für die delikate Vorspeise „Rettich-Carpaccio mit Petersilien-Pesto und Räucherlachs“ nach einem Vorschlag aus dem Gasthaus „Harmonie“ in Lichtenberg oder für den köstlichen „Bratkartoffelsalat“ mit weißem Rettich, den die einfallsreiche Versuchsküche der Zeitschrift „Landlust“ präsentiert. Wahre Größe erlangt dieser Salat, wenn die Bratkartoffeln aus Bamberger Hörnla gemacht werden und die Bamberger birnenförmige Zwiebel die Essigmarinade adelt. Überflüssig zu sagen, dass man beide Rezepte als Ausgangspunkte für weitere Entwicklungsarbeit nehmen kann und sollte.

Für Wagemutige: Rettich gedünstet

Neuere Kochbücher deuten an, dass sich Rettich und Radieschen sehr gut für Suppen oder als Gemüsebeilage dünsten lassen. Damit haben sie Recht, solange sie dem Beispiel der Japaner folgen und milde Rettichsorten verwenden, den originalen japanischen „Daikon“ zum Beispiel, den die alten Bamberger Gärtner geringschätzig „Wasserrettich“ nennen. Ihrem Bamberger Rettich würden sie die Tortur des Kochens nicht antun, denn das Dünsten zähmt ihn nicht wie wir es vom Meerrettich kennen, es raubt ihm nur seinen größten Vorzug, die knackige Frische. Der aromastarke edelscharfe Bamberger will roh genossen werden wie es die Tradition verlangt.
Damit muss sich der experimentierfreudige Rettichfreund freilich nicht geschlagen geben. Zwar ähneln Suppen und Gemüse vom Bamberger Rettich auch bei kluger Auswahl der Gewürze dem alten Hausmittel des Rettichhustensaftes, doch eröffnen sie auch Ausblicke in eine neue Geschmackswelt, in der die bitter getönte aromatische Kraft und die breit verströmende Schärfe des gedünsteten Rettichs leicht irritierend, aber durchaus anregend wirken. Man kann den Effekt auf angenehme Weise nutzen, wenn man einem Mischgemüse nur geringe Mengen der Rettichwurzel oder der frischen grünen Samenkapseln der Rettichpflanze beigibt.

Weiterlesen:  Der Bamberger Wirsing in der Küche

Autor: Georg Willibald Lang
Auszug aus: „Sortenbeschreibung der Gemüsesorten der Bamberger Gärtnerstadt“, ausgearbeitet im Auftrag des „Zentrums Welterbe Bamberg“ (ZWB) im Rahmen des Projekts „Urbaner Gartenbau Bamberg“, Bamberg 2013